Die Geschichte der Hohnsteiner beginnt mit der Geburt ihres Begründers Max Jacob am 10. August 1888 in Bad Ems. Jacob gehörte der Wandervogelbewegung an. Der „Wandervogel“ war eine bürgerliche Jugendbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In einer Phase fortschreitender Industrialisierung der Städte und angeregt durch die Ideale der Romantik versuchten sich die Jugendlichen von den engen schulischen und gesellschaftlichen Vorgaben zu lösen um in freier Natur eine eigene Lebensart zu entwickeln.
Max Jacob liebte das Kasperspiel, denn er erkannte sehr schnell, dass er durch den Kasper in einer besonderen Art und Weise mit den Menschen sprechen konnte. So konnte er Probleme einer Gruppe aufgreifen – z.B. eine wenig schmackhafte Erbsensuppe – , sie durch den Kasper humorvoll öffentlich ansprechen und somit für alle Beteiligten eine Verbesserung herbeiführen. Dieses Wirken brachte ihm schnell große Anerkennung ein. 1921 entstand ein erstes kleines Puppenspiel vor einer Zuschauergruppe – daraus entstanden die „Hartensteiner Puppenspiele“.
Der Hohnsteiner Kasper war anders als alle anderen zu dieser Zeit. Denn zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Jahrmarktkasper weit verbreitet. Sein Aussehen: Ein rauher Zeitgenosse, unfletig im Benehmen, eher besoffen als nüchtern anzutreffen und dem anderen Geschlecht – zumindest verbal – sehr zugetan. Er hatte Konflikte zu lösen, viele, sehr viele Konflikte – mit Amtspersonen, Räubern, Hexen und anderen Teufeln. Für die Problemlösung kannte er einfache und schlagkräftige Methoden: Hämmer, Bratpfannen und Pritschen!
Max Jacobs Kasper musste ein anderer sein. Er sollte die Ideale der Wandervögel berücksichtigen. Der Kasper durfte seine Probleme fortan mit Kopf und Geist durch überzeugende Ideen und Gespräche lösen. Die Pritsche wurde nur noch im Notfall herausgeholt. Das führte zum Beinamen „Pädagogischer Kasper“. Und die künstlerische Befreiung? Der Jahrmarktskasper musste mit einem Bein auf der Spielleiste „hin- und herreiten“. Jacobs Kasper durfte mehr – denn er war ein freier Kasper! Er durfte sich mit beiden Beinen von der Spielleiste lösen und sich den Theaterraum hinter der Spielleiste erschließen. Tanzen, Ziehharmonika spielen und lustig sein – das konnte nun voll ausgelebt werden.
1928 ergab sich die Möglichkeit, auf die Jugendburg Hohnstein umzusiedeln und dort die „Hohnsteiner Puppenspiele“ zu gründen. Die „Kasperfamilie“ u.a. mit dem Schnitzer Theo Eggink, der Konstümbildnerin Elisabeth Grünwald und den vielen Spielern und Spielerfrauen entwickelt ein umfassendes Angebot: Theaterspiele für Kinder und Erwachsene mit mehreren Bühnen, Bau von Figuren für Groß und Klein, Durchführung von Kursen und Lehrgängen für Profis und Laien.
Während einer Spielreise übernahm die SA die Jugendburg, um diese in ein Konzentrationslager umzubauen. Die „Kasperfamilie“ musste die Burg verlassen. Bürger der Stadt Hohnstein unterstützten die Spieler beim Bau einer geeigneten Bleibe – dem sog. „Kasperhaus“.
Alsbald wurde neben dem Puppenspielhaus auch eine geeignete Spielstätte geschaffen – das sogenannte „Puppenspielhaus“. Max Jacob gelang es, einen Pavillion von der Landesgartenschau aus Dresden zu bekommen und nach Hohnstein zu verfrachten.
1936 erfolgte eine Einladung nach Paris. Die Hohnsteiner sollten als einzige deutsche Handpuppenbühne auf der Weltausstellung spielen. Der Hohnsteiner „Freischütz“ war ein voller Erfolg und wurde mit einer Medaille für das beste Handpuppenspiel belohnt.
Der Jugendfilmverleih produzierte mit Max Jacob eine Reihe von Kasperfilmen für das Kino. Diese Vorfilme steigerten die Bekanntheit der Hohnsteiner enorm.
Parallel zum Spielbetrieb entwickelte sich ein großer Freundeskreis der Hohnsteiner. Diese sogenannten Kasperfreunde sicherten z.B. Ausfälle wg. Krankheit ab. Die Hohnsteiner verfassten mit ihren Kasperbriefen regelmäßige Dokumentationen über ihre Aktivitäten.
Während der NS-Zeit wurden die Hohnsteiner – wie andere Organisationen Organisationen auch – gleichgeschaltet. Einerseits mussten Spielstoffe von nun an der staatlichen Ideologie entsprechen und mussten genehmigt werden. Andererseits wurde die Spielreise staatlich organisiert, was die Arbeit sehr erleichterte. Später wurden die Bühne auch zur Wehrmachtsbetreuung verpflichtet.
Neben der Bühne von Max Jacob wurde noch die von Hans Wickert gegründet. Später – nach dem Krieg – entfalteten sich noch die Bühnen von Harald Schwarz, Friedrich Arndt und Erich Kürschner.
Insbesondere die Hohnsteiner Bühne von Friedrich Arndt erreichte nach dem Krieg eine sehr hohe Bekanntheit mit Tonträgern und Produktionen für das WDR-Kinderfernsehen. Friedrich Arndt wurde am 9. November 1905 in Hamburg geboren. Er absolvierte eine Kaufmannslehre und spielte als Laienspieler mit seiner Gruppe „Hamborger Poppenspäler“ plattdeutsche Stücke in Schulen und Volksheimen. 1945 trat er in die Bühne von Max Jacob als Berufspuppenspieler ein. Nach den schwierigen Anfängen in der Nachkriegszeit stellte sich mit den Stücken „Die Sage vom Freischütz“, „Historia von Dr. Johann Faust“, Eichendorffs „Incognito“ und Hebbels „Rubin“ auch der Erfolg ein. Besondere Beachtung fand die musikalische Pantomime „Der klingende Teppich“, die Friedrich Arndt zusammen mit dem Osnabrücker Professor für Musik für das Puppenspiel bearbeitete. „Die Schildbürger“ war die letzte große Inszenierung der Bühne Arndt.
Friedrich Arndt hat auch als einer der ersten den deutschsprachigen Kasper in den 60er Jahren auf der Schallplatte verewigt. Die Stücke “Der Bär geht spazieren”, “Kasper und Seppel bei den Indianern” oder “Die geheimnisvolle Kaffeemühle” zählen auch heute noch zu beliebten Hörspielen. Sydow hebt insbesondere “Das fliegende Haus” als ein Meisterwerk des Elementaren für die Kinderwelt hervor, in dem Sprache, Musik und Spielfantasie in gleicher Weise angesprochen werden. Zuletzt waren zehn Hörspielkassetten als Zusammenfassung der ursprünglich als Vinyl-Singles produzierten Aufnahmen bei der Deutschen Grammophon erhältlich.
Arndt setzte sich sehr mit der künstlerischen Weiterentwicklung des Hohnsteiner Spiels auseinander, denn die Abstraktion in der allgemeinen künstlerischen Entwicklung macht auch vor dem Puppenspiel nicht halt. Mit Till de Kock fand er einen Figurengestalter, der seine Ideen in Form von gedrechselten Figuren für den „klingenden Teppich“ und die „Schildbürger“ umsetzen konnte.
Ebenso gab es Fernsehfilme. Erstmals wurde der Kasperle in Köln 1964 von der Fernsehkamera in Schwarz-Weiß aufgezeichnet. Gerd K. Müntefering, der zuständige Redakteur beim WDR, sah diesen Kasper als Herrn der Bühne und gab ihm eine eigene Sendereihe. Daraus wurde “Kasper und René”: Kasper im Auto auf der Brücke in Prag, Kasper in der Kutsche in Rom, Kasper bei der Wettfahrt zu Wasser in Norwegen, Kasper beim Skilauf in Finnland, Kasper auf Pantoffeln in Japan. Kaspers menschlicher Partner war der Schauspieler, Moderator und Sänger Peter René Körner, der bereits seit der zweiten Hälfte der 1940er Jahre in den Medien aktiv war und durch diese Rolle dauerhaft zum “Star” des Kinderfernsehens wurde. Besondere Bedeutung erlangte der Film „Räuberweihnacht“, in dem die Räuber aus dem „klingenden Teppich“ neben WDR-Filmrollen auch eine Straßenbahn klauen. Die bildnerischen Spannungen zwischen Bühnenbildteilen oder “Requisiten” für Schauspieler und Handpuppe, die Spannung zwischen dem Schauspieler und der Kasperfigur selbst haben ihn inspiriert. Nicht zuletzt hat Arndt mit dieser Serie einen besonderen Beitrag für die Grundlagen im Zusammenspiel von Mensch und Figur in Film und Fernsehen geleistet.
Nach “Kasper und René” folgten weitere Arndt-Körner-Serien wie “Märchenraten mit Kasper und René”, “Ratereise mit Kasper und René” und “Hoftheater mit Kasper und René”.
Friedrich Arndt war an weiteren erfolgreichen Fernsehproduktionen des WDR beteiligt, beispielsweise an „Lemmi und die Schmöker“ und „Robbi, Tobbi und das FlieWaTüüt”. Arndts Frau war darüber hinaus die Schöpferin der berühmten Figur “Hase Cäsar”.
Besonders erwähnenswert ist Wolfgang Buresch. Buresch, 1941 in Kiel geboren, absolvierte in den Jahren 1959 bis 1963 seine Ausbildung bei der Hohnsteiner Puppenbühne Friedrich Arndt. Seine Fernseharbeit für Kinder begann er 1965 mit der Serie „Stoffel und Wolfgang“. Buresch prägte wesentlich das Kinderprogramm der ARD durch die Produktion so bekannter Serien wie „Hase Cäsar“, „Maxifant und Minifant“, „Plumpaquatsch“ oder „Emm wie Meikel“. Buresch hat auch viele Rollen in den o.g. Kasper-Hörspielen übernommen, wie den Bären aus „Der Bär geht spazieren“ oder der Kobold aus „Das fliegende Haus“.
Harald Schwarz – geboren 1921 in Teplitz-Schönau (Tschechoslowakai) – war der letzte Bühnenleiter der Hohnsteiner Puppenbühnen. Nach seiner Matura begann Schwarz seine Ausbildung an der Bühne von Max Jacob. Nachdem sich Max Jacob als Bühneleiter zur Ruhe gesetzt hatte, war die Hohnsteiner Bühne Harald Schwarz nach der Bühne Arndt die zweite in der Tradition des Hohnsteiner Puppenspiels. Bald jedoch wandte sich Schwarz von der Tradition dieses Spielstils ab, löste sich beispielsweise von der klassischen Guckkastenbühne zugunsten eines einfachen Spielparavents und ließ sich in Prag bei Vaclav Havlic großformatige leichte Stabfiguren anfertigen, als weiter mit den kleinen, holzgeschnitzten Kasperpuppen von Theo Egging oder Till de Kock zu arbeiten.
Harald Schwarz leitete sein Reisetheater von Essen aus. Der Erfolg der Hohnsteiner Bühnen ermöglichte im Oktober 1962 den Aufbau einer dritten Spielgruppe, die unter der Leitung von Erich Kürschner ebenfalls von Essen aus durch die Lande reiste. Kürschner war eine begeisterter Seppel- und Tierfigurenspieler. Er spielte ausschließlich für Kinder. Die Bühne musste ihren Spielbetrieb jedoch bereits Mitte der 1970er Jahre nach dem frühen Tod Kürschners wieder einstellten. Als sich schließlich auch Friedrich Arndt zur Ruhe setzte, blieb das Theater von Harald Schwarz die einzige in der direkten Nachfolge Max Jacobs tätige Hohnsteiner Puppenbühne.
Am 11. Oktober 1995 besichtigte Schwarz’ Ehefrau einen Saal in Svitavy, wo für den folgenden Vormittag eine Kindervorstellung angesetzt worden war. Zu diesem Auftritt des letzten Hohnsteiner Puppentheaters sollte es nicht mehr kommen: Zur gleichen Zeit, als seine Frau den Veranstaltungssaal begutachtete, starb Harald Schwarz völlig unerwartet während eines Spaziergangs. Damit endete die Geschichte der Hohnsteiner Puppenspiele, die mit der Gründung der ersten Bühne durch Max Jacob im Jahr 1921 begonnen hatte.